Der internationale Kreditversicherer Atradius meldet beängstigende Zahlen aus der aktuellen Studie „Zahlungsbarometer“, in der 2700 westeuropäische Unternehmen aus 13 Ländern nach ihren Zahlungserfahrungen der letzten 12 Monate befragt wurden und die Veränderungen des Zahlungsverhaltens analysiert werden: Laut der Studie waren deutsche Firmen in den letzten 12 Monaten drei Mal so häufig von Ausfällen betroffen, wie noch im Jahr zuvor. Der Gesamtwert der Forderungen stieg hierbei von 0,7% auf 2,1%. 

(Allein um einen Forderungsverlust von nur 5000 Euro kompensieren zu können, muss ein Unternehmen bei einer Umsatzrendite von 2,5% ein Umsatzplus von 200.000 Euro erzielen.)

Wodurch kommt die stark gestiegene Anzahl von Insolvenzen zustande?

Eine mögliche Erklärung für die Anhäufung von Zahlungsausfällen könnte hierbei die Risikofreudigkeit deutscher Unternehmen bei den Zahlungszielen sein. In den letzten 12 Monaten genehmigten sie Lieferantenkredite bei 59,3% Prozent der Geschäfte (Vorjahr: 24,7%). Dieser Trend lässt sich in ganz Westeuropa betrachten.

Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director für Deutschland, Mittel- und Osteuropa bei Atradius, versucht diese Entwicklung zu erklären: „Viele deutsche Unternehmen haben das Abkühlen der Weltwirtschaft in den vergangenen Monaten deutlich zu spüren bekommen und reagiert. Um Umsätze in Zeiten verhaltener Nachfrage zu sichern, gehen sie mehr Risiken ein und gewähren zunehmend Zahlungsziele im härter werdenden Wettbewerb um Aufträge und Kunden. Gleichzeitig geben die höheren Ausfälle aber einen klaren Hinweis darauf, dass die Liquidität der Abnehmer zuletzt gesunken ist. Die Unsicherheiten dürften daher künftig auch weiter zunehmen.“ 

Die Studie zeigt, dass sowohl deutsche als auch andere westeuropäische Unternehmen versuchen, ihr Risiko trotz Zunahme der Lieferantenkredite gering zu halten. Die Zahlungsziele haben sich im Vergleich  zum Vorjahr nur minimal geändert (2019: durchschnittlich 22 Tage, 2018: durchs. 21 Tage).

Ganze 45% der deutschen Unternehmen überprüfen genau die Bonität ihrer Kunden und liegen damit deutlich über dem westeuropäischen Durchschnitt von 36%. Zudem wird seitens der deutschen Unternehmen mit 36% besonders oft Skonto bewilligt (Westeuropa: 21%,  Osteuropa:18%). Auch bei der Anzahl der Mahnaktivitäten liegt Deutschland mit 38% weit vorne (Westeuropa: 28%, Osteuropa: 36%).

Zusätzlich verringerte sich die Frist, in der überfällige Forderungen auf den Konten der Unternehmen eingingen (2019: 51 Tage, 2018: 57 Tage). Weiterhin reduzierte sich die Zeitspanne zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang auf 36 Tage (2018: 39 Tage).

Wie sind die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden 12 Monate?

Die Erwartungen bezüglich der Zahlungsmoral sind optimistisch. Über 50% der Westeuropäischen Firmen erwarten keine Veränderungen des Zahlungsverhaltens. Nur 25 % erwarten eine Abwärtsentwicklung in Bezug auf die Zahlungsmoral ihrer Kunden. 

Dr. Thomas Langen rechnet damit, dass die Insolvenzen in Westeuropa bis Ende des Jahres auf 2,7% ansteigen werden. Dieser Wert wird nach Schätzungen im nächsten Jahr um weitere 0,7% zulegen.

Diverse aktuelle wirtschaftliche Komplikationen wie der Handelsstreit mit den USA, die Ungewissheit über den Brexit und dessen Folgen, als auch die Krise der Automobilindustrie, haben einen großen Einfluss auf die Geschäftsabwicklung und das Zahlungsverhalten der Unternehmen.

Zwar könnten laut Langen natürlich öfter Zahlungsziele bewilligt werden, um den Umsatz aufrecht zu erhalten, allerdings sollten die Forderungen auch unbedingt richtig abgesichert sein.

GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin: „ Die Konjunktur schlägt durch und dies macht sich an der gestiegenen Anzahl der Ausfälle bemerkbar. Zwar beobachten wir derzeit primär außerhalb Deutschlands eine gestiegene Anzahl von Insolvenzen, allerdings werden dies in Zukunft auch deutsche Unternehmen zu spüren bekommen, wenn sich die Situation in Europa weiterhin verschärfen sollte.“

Quelle: Pressemitteilung von Atradius: „Zahlungsausfälle bei deutschen Unternehmen verdreifachen sich innerhalb eines Jahres“, 22.10.2019.