Die Insolvenzen erreichen neue Höchststände – und steigen noch stärker als erwartet. Jetzt zeigt eine neue Analyse: Im ersten Halbjahr sind auch deutlich mehr große Unternehmen in eine Schieflage geraten. Drei Branchen waren dabei besonders betroffen.

41 Prozent mehr Großinsolvenzen

Eine Analyse, die das Handelsblatt in Auftrag gegeben hat, zeigt: Im ersten Halbjahr 2024 musste 162 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro Insolvenz anmelden – das ist ein Plus von 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Geschäft nach der InsolvenzAuch wenn Experten einen Anstieg in diesem Jahr erwartet hatten – dieser ist deutlich höher als prognostiziert. Zu Beginn des Jahres hatte man noch mit einem Plus von rund 30 Prozent gerechnet.

Besonders betroffen: Immobilienunternehmen, Automobilzulieferer und Maschinenbauer.

Das stützen auch Zahlen des Kreditversicherers Atradius. Er zählt zu den besonders gefährdeten Branchen schon im Jahr 2023 den Bereich Automotive – und hier insbesondere die Zulieferer – den Gebäude- und Immobiliensektor, die Textilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Bauindustrie. Neu dazu könnte in diesem Jahr das Gesundheitswesen kommen.

„Besorgniserregende Zunahme“

Sorge macht nicht die Zahl der Insolvenzen per se, sondern die steigende Zahl an Großinsolvenzen“, so GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin. Seine Befürchtung: Nehmen die Großinsolvenzen, die bei ihren Lieferanten teils erhebliche Forderungsausfälle verursachen, weiterhin zu, kann sich daraus im schlimmsten Fall eine Insolvenzspirale entwickeln.

Um Forderungsausfälle abzusichern, sei in erster Linie eine Warenkreditversicherung sinnvoll, rät Sarafin. Allerdings gebe es auch „angrenzende“ Produkte, die Risiken bei einer Insolvenz abdecken. Dazu zählt zum Beispiel die Anfechtungsversicherung im Falle der Anfechtung von Forderungen durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. „Welche Absicherungen nötig und sinnvoll sind, hängt dabei ganz von der individuellen Situation der Unternehmen ab“, so Sarafin. „Das kann daher auch nur in einer persönlichen Beratung geklärt werden.“

Ausblick: Wie geht’s 2024 weiter?

Ob der Anstieg so weiter geht, darüber sind sich die Experten uneins. Das Statistische Bundesamt rechnet damit, dass die Insolvenzen dieses Jahr auf 20.000 steigen werden. Das lege zwar über der Zahl von 2023 (17.814 Insolvenzen), aber immer noch deutlich unter den rund 33.000 Pleiten, die es während der Finanzkrise 2009 gegeben hatte.

Indikator dafür, dass sich der Anstieg verlangsamt, könnten die Zahlen von Juni sein: In diesem Monat kletterte die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland um 6,3% im Jahresvergleich. Es ist die erste einstellige Zuwachsrate seit Juni 2023.

Insolvenzen steigen weltweitFür die Auskunftei Creditreform ist das dennoch kein Grund zum Aufatmen: „Selbst nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Juni die angekündigte Zinswende vollzogen hat, dürften die Unternehmensinsolvenzen noch bis Jahresende zunehmen und im Gesamtjahr erstmals wieder das Vor-Corona-Niveau übersteigen“, schreibt sie in ihrem aktuellen Insolvenzbericht.

Ein hausgemachtes Problem?

Auch wenn viele strukturelle Probleme in Deutschland sicherlich auch zum Insolvenzgeschehen beitragen: Die Bundesrepublik steht damit nicht allein da. Laut aktuellem Insolvenz-Bericht von Allianz Trade ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2023 in drei von vier Ländern wieder angestiegen – in den meisten sogar zweistellig. Weltweit beschleunigte sich der durchschnittliche Anstieg der Unternehmenspleiten von +23 Prozent im Jahr 2022 auf +29 Prozent im Jahr 2023, die höchste Dynamik seit 2009 (+33%).

Für 2024 erwartet der Kreditversicherer, dass die Zahl der Insolvenzen in zwei von drei Ländern über dem Niveau vor der Pandemie liegen wird.

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