Rezession, steigende Insolvenzen, zahlreiche geopolitische Unsicherheiten: Die deutsche Wirtschaft stand im vergangenen Jahr vor erheblichen Unsicherheiten. Wie wird es 2025 weitergehen? Was kommt auf die Unternehmen hierzulande zu? Welche Auswirkungen haben die Krisen auf den Kreditversicherungsmarkt? Über diese Themen haben sich Anna-Katharina Wichmann, Vertriebsdirektorin bei Allianz Trade in der DACH-Region, und GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin Mitte März in einem Online-Interview unterhalten. Hier ein kleiner Auszug zum Nachlesen.

Fabian Sarafin: Frau Wichmann, wie haben sie das letzte Jahr wahrgenommen?

Anna-Katharina Wichmann: Ich glaube, das Jahr 2024 war für uns alle in vielerlei Hinsicht ein durchaus anspruchsvolles und vor allem für die deutschen Unternehmen ein sehr schwieriges Jahr. Mit den multiplen Krisen, die wir sehen, steht Deutschland wahrscheinlich vor den größten Herausforderungen der Nachkriegszeit: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Spannungen und der Krieg in Nahost, der steigende Protektionismus, die volatilen Energiepreise, die steigenden Cyber-Risiken und noch vieles mehr belasten weiterhin die Wirtschaft.

Fabian Sarafin: Welche Ereignisse haben Sie besonders überrascht?

Anna-Katharina Wichmann, Vertriebsdirektorin bei Allianz Trade

Anna-Katharina Wichmann: Was mich wirklich überrascht hat, war Anfang November, dass wir am gleichen Tag der Wiederwahl von Donald Trump dann am Abend auch noch das Ampel-Aus hatten. Ich glaube, wir alle können uns an den Tag erinnern.

Auch dass die Wirtschaft in Deutschland 2025 weiterhin so schwächelt, hatten wir letzten Sommer nicht erwartet. Da hatten wir noch gehofft, dass wir in diesem Jahr ein Wachstum sehen werden, nun erwarten wir eine Stagnation.

Fabian Sarafin: Sie rechnen also nicht mit einer weiteren Rezession?

Anna-Katharina Wichmann: Aktuell gehen wir davon aus, dass wir wirklich eine Nullrunde haben werden – und hoffen, dass wir kein weiteres Rezessionsjahr vor uns haben. Schließlich besteht die Gefahr eines Handelskriegs durch die zunehmenden protektionistischen Maßnahmen, insbesondere natürlich durch die USA. Für 2026 erwarten wir wieder ein leichtes Wachstum von 0,9 Prozent. Aber eines ist klar: Diese Situation geht an den deutschen Unternehmen nicht spurlos vorbei und das wird sich natürlich auch in den nächsten Jahren weiter fortsetzen.

Fabian Sarafin: Marcus, was hat dich überrascht?

GfL-Geschäftsführer Marcus Sarafin

Marcus Sarafin: Ich habe nach dem Sommer eigentlich damit gerechnet, dass es mit der Wirtschaft wieder etwas bergauf geht. Mich hat daher wirklich überrascht, dass das dritte Quartal so schlecht gelaufen ist. Dass viele Unternehmen, auch aus unserem Kundenkreis, nochmal in so ein negatives Fahrwasser geraten sind, hat natürlich auch zu einem Investitionsstopp geführt. Cash-Positionen wurden erstmal gehalten. Das vierte Quartal lief dann glücklicherweise einigermaßen akzeptabel.

Was 2025 angeht, nehme ich mit Spannung zur Kenntnis, dass wirklich so viele Dinge noch unberechenbar sind. In diesen ersten Monaten des Jahres sind wir auch mit ein, zwei Insolvenzen in unserem Kundenstamm betroffen gewesen – das hält sich aber glücklicherweise noch in Grenzen. Was uns aber deutlich aufgefallen ist: In den Büchern unserer Kunden hat sich ein erheblicher Anteil an Überfälligkeiten und auch an Schäden aufgetan.

Anna-Katharina Wichmann: Ich teile diese Beobachtung: Bei uns als Kreditversicherer haben sowohl die Nichtzahlungsmeldungen als auch die Schäden, deutlich zugenommen. Wenn wir auf die Zahlen schauen, sehen wir, dass Insolvenzen in Deutschland im Jahr 2024 um rund 22 Prozent gestiegen sind. Das sind etwas über 22 000 Fälle im Jahr. Auch 2025 wird sich der Anstieg fortsetzen (+10 %).

Das globale Bild ist ähnlich, muss man sagen. Auch dort sind die Insolvenzen im vergangenen Jahr um 10 Prozent gestiegen. Das Instrument Warenkreditversicherung gewinnt in diesem Umfeld natürlich deutlich an Bedeutung. In der aktuellen Phase, um sich eben abzusichern und seine Bilanz zu stabilisieren. Zudem merken wir, dass es deutlich mehr Beratungsbedarf gibt.

Lohnt sich eine Kreditversicherung?

Marcus Sarafin: Das sehen wir auch, besonders bei der Schadensabwicklung. Dort stellen wir fest, dass Kunden durch die wenigen Schäden aus der Vergangenheit eben nicht mehr so geübt sind. Was hingegen den Prozess der Schadensabwicklung mit den Kreditversicherern angeht, sind wir dankbar, dass sich dieser sehr konstruktiv gestaltet. Oft hören wir ja das Vorurteil, dass der Versicherer nicht zahlen will. Doch sobald die nötigen Informationen und Dokumente geliefert werden, funktioniert der Prozess sehr, sehr gut.

Wo wir hingegen auf jeden Fall auch weiterhin die Unterstützung der Kreditversicherer brauchen, sind die Kunden, die in ihrem Portfolio auch Risiken haben. Auch da haben wir in der Regel gute Erfahrungen, das Thema ist jedoch, dass viele Unternehmen jetzt eben durch ihre schlechteren Zahlen eher ein Incentive-Care- oder Special-Risk-Fall sind, aber das Kreditlimit dort schnellstmöglich aufgestockt werden müsste. Ich denke, da sind wir Makler und Anbieter gefordert zu schauen, ob vielleicht Limite tatsächlich bei einigen Kunden aktuell zu hoch angesiedelt sind, um Bedarfe für diese Risiken besser decken zu können.

Fabian Sarafin: Frau Wichmann, wir haben die Krisen, wir haben die nicht ganz so guten Bilanzen, wir haben vielleicht auch Geschäftsmodelle, die nicht mehr so gut funktionieren: Was bedeutet das für ihre Underwriting-Strategie? Wie gehen Sie damit um, so dass unsere gemeinsamen Kunden dann auch den Deckungsschutz erfahren, den sie sich vorstellen?

Anna-Katharina Wichmann: Wir haben über 83 Millionen Firmen in unserer Datenbank, die wir täglich monitoren und zwar über ein hauseigenes Risikosystem. In dieses fließen wahnsinnig viele Informationen und Daten ein. Wenn wir etwas tun, dann immer auf dem Einzelfall basierend, also auf den Daten und Fakten, die wir zum einzelnen Unternehmen haben.

Trotz all der Schwierigkeiten und wirtschaftlichen Herausforderungen haben wir unsere Risikopolitik in den letzten Jahren nicht verändert. Wir wollen ein stabiler Partner sein und unseren Kunden ein sicheres Handeln ermöglichen. Gleichzeitig ist es natürlich auch die Funktion der Warenkreditversicherung, Frühwarnindikator zu sein und dort zu warnen, wo sich Risiken verschlechtern und wo man dann besser seine Zahlungsmodalitäten entsprechend anpasst.

Marcus Sarafin:  Auch wir erleben, dass die Bereitschaft, Limite zu zeichnen, grundsätzlich weiterhin sehr hoch ist. Was uns allerdings beschäftigt, sind Kumule, die grundsätzlich reduziert werden. Diese Reduktion schlägt dann natürlich auch bei unseren Kunden durch. Das ist eine große Herausforderung, denn überzeugte Kreditversicherungskunden wollen natürlich Deckung. Sie sind auch bereit, dafür mehr zu zahlen, denn Risiko kostet natürlich Geld.

Anna-Katharina Wichmann: Wir sehen schon auch, dass der Preis weniger das Thema ist, sondern es wirklich darum geht, den richtigen Versicherungsschutz und den richtigen Deckungsschutz zu haben. Das ist auch das Thema, welches wir mit unseren Kunden als erstes diskutieren, wenn wir über Vertragsverlängerungen sprechen.

Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass die Nachfrage nach Kreditversicherungen nur leicht steigt und nicht in dem Maße, wie man es unter den aktuellen Vorzeichen erwarten sollte. Vielleicht ist da das Thema „Kosten“ immer noch zu sehr in den Köpfen. Da ist es sicherlich gut zu überlegen, was das richtige Ende zum Sparen ist: Schließlich muss ich als Unternehmen bei einem Forderungsausfall erheblich mehr Umsatz machen, um diesen Forderungsausfall zu kompensieren. Das ist in der aktuellen wirtschaftlichen Situation den meisten vermutlich gar nicht möglich.

Fabian Sarafin: Bevor wir zum Schluss kommen, würde mich noch eines interessieren: Wie sehen Sie die aktuelle Zusammenarbeit zwischen unseren Häusern? Und was sind Herausforderungen, die wir in diesem Jahr für unsere gemeinsamen Kunden angehen wollen?

Anna-Katharina Wichmann: GFL ist seit Jahren Teil unseres sehr exklusiven Spezialmakler-Kreises und ich glaube, wir haben gemeinsam schon viele gute Lösungen entwickelt für unsere Kunden beziehungsweise Ihre Mandanten.

Wir haben einen sehr regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch, den ich sehr schätze. Besonders spannend finde ich den Weg der Digitalisierung bei GFL. Ich glaube, dass Sie da sehr weit sind, und natürlich freuen wir uns, dass wir als Allianz Trade entsprechend mit eingebunden sind. Ich glaube, dass wir da gemeinsam noch ganz, ganz viel nach vorne bewegen können.

Marcus Sarafin: Das kann ich nur bestätigen: Die Zusammenarbeit mit Allianz Trade ist sehr produktiv, sehr kommunikativ. Ich bin immer wieder positiv überrascht, dass man uns viele Möglichkeiten gibt, individuelle, kundenorientierte Lösungen zu finden.

Das Thema „Digitalisierung“ hat für uns tatsächlich eine ganz große Bedeutung, dazu werden wir in Kürze weitergehende Informationen geben können. Auch hier gilt mein ganz herzlicher Dank dem Allianz-Team und Ihnen persönlich für die proaktive und gute Unterstützung!

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