Die konventionelle Geldpolitik tut der Türkei gut: das Leistungsbilanzdefizit sinkt, die Bruttowährungsreserven wachsen und die kurzfristige Auslandsverschuldung der Zentralbank stagniert. Was bleibt, ist die Frage, wie lange Erdogan an diesem Kurs festhalten wird.

Nach seiner Wiederwahl im Mai 2023 bildete Präsident Erdogan ein neues Wirtschaftsteam unter der Führung von Finanzminister Mehmet Şimşek und Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan. Erkan verfolgte eine konventionellere Geldpolitik, erhöhte den Leitzins auf 40 Prozent und schaffte unorthodoxe Finanzinstrumente ab, was den Druck auf die türkische Lira verstärkte. Finanzminister Şimşek setzte harte finanzpolitische Maßnahmen um, darunter Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor.

Trotz dieser Maßnahmen wird das Gesamthaushaltsdefizit 2023 voraussichtlich höher sein, vor allem aufgrund hoher Staatsausgaben vor den Wahlen und den Wiederaufbaukosten nach einem Erdbeben. Davon geht die Credendo Group in einer aktuellen Analyse aus. Trotz des größeren Defizits wird das Jahr 2023 voraussichtlich mit einer moderaten Staatsverschuldung von etwa 35 Prozent des BIP enden. Zukünftig wird ein Rückgang des Haushaltsdefizits im Verhältnis zum BIP erwartet, jedoch mit einem Anstieg der Zinszahlungen im Verhältnis zu den Einnahmen.

Mehr Stabilität, aber schwächeres Wachstum 

In den letzten Jahren verzeichnete die türkische Wirtschaft robustes Wachstum trotz externer Schocks. Eine expansive Geldpolitik führte jedoch zu makroökonomischen Ungleichgewichten, wie hoher Unternehmensverschuldung und Druck auf die Währungsreserven. Eine mögliche Umstellung auf eine weniger expansive Finanz- und Geldpolitik nach Erdogans Wiederwahl könnte zu schwächerem Wachstum führen. Die Frage, ob die Regierung dies vor den Kommunalwahlen im März 2024 akzeptiert, bleibt offen.

Credendo sieht den aktuellen Kurs positiv: Eine langfristig konventionellere Politik würde Schritt für Schritt der internen sowie externen Schieflage entgegenwirken, heißt es in dem Länderbericht. Das Leistungsbilanzdefizit sinke bereits, die Bruttowährungsreserven wachsen und die kurzfristige Auslandsverschuldung der Zentralbank stagniert.

Die Achillesferse bestehe allerdings weiterhin in der hohen Abhängigkeit von kurzfristigen Auslandskrediten und Kapitalzuflüssen sowie in der hohen Unternehmensverschuldung. Vor diesem Hintergrund hänge eine Verbesserung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos vor allem davon ab, ob weiterhin eine eher konventionelle Politik verfolgt wird. Eine Rückkehr zu unorthodoxen Maßnahmen könnte Kapitalabflüsse und Druck auf die Währungsreserven auslösen, was die Länderrisikobewertung negativ beeinflusst.