Die Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan für weitere fünf Jahre wiedergewählt. Mehmet Simsek ist neuer Finanzminister, Hafize Gaye Erkan leitet nun die Zentralbank – und hat sogleich eine Kehrtwende der Geldpolitik eingeleitet. Was das für die krisengebeutelte türkische Wirtschaft bedeutet, hat die Credendo Group in ihrem aktuellen Länderrisiko-Report zusammengefasst.

Die Ernennung von Erkan und Simsek sei ein Zeichen dafür, dass Erdogan – zumindest kurzfristig – eine konventionellere Geldpolitik anstrebt. Und tatsächlich erhöhte die Zentralbank schon kurz nach der Wahl erstmals seit 27 Monaten die Zinsen. Im Kampf gegen die hohe Inflation erhöhten die Zentralbanker den Leitzins von 8,5 auf 15 Prozent. Nach Meinung vieler Experten ein überfälliger Schritt, schließlich lag die Inflation zuletzt bei knapp 40 Prozent. 2022 war sie sogar auf bis zu 85 Prozent geklettert, was dem höchsten Stand seit 20 Jahren entspricht.

Die Wende in der türkischen Geldpolitik scheint mit dem ersten Zinsschritt noch nicht beendet zu sein. So kündigte die Zentralbank bereits an, dass man die Leitzinsen mittelfristig mit Blick auf das Fünf-Prozent-Ziel bei der Inflation festlegen wolle. Erdogan scheint damit der Zentralbank ihre Unabhängigkeit wiederzugeben. Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, habe er angekündigt, die Schritte des neuen Finanzministers zu akzeptieren, um die Wirtschaft zu retten – obwohl er an seiner Meinung zu Zinsen festhalte. Bisher hatte sich Erdogan für sinkende Zinsen im Kampf gegen die Inflation ausgesprochen, obwohl das der gängigen volkswirtschaftlichen Theorie entgegenläuft.

Credendo beschreibt die Wende in der Finanz- und Geldpolitik als dringend notwendig: Schließlich sei die Liquidität des Landes sehr niedrig und die Bruttodevisenreserven stünden unter Druck. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen sind niedrig, so dass die Türkei stark auf andere Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen ist, um ihr Leistungsbilanzdefizit auszugleichen.

Trotz dieser Schwächen zeige sich die türkische Wirtschaft als sehr widerstandsfähig. Auch die moderate Auslandsverschuldung, der ausreichende fiskalische Spielraum sowie die diversifizierte und dynamische Wirtschaft gehören ebenfalls zu den Stärken.

Obwohl die Zukunftsaussichten des Landes noch unsicher sind, belässt Credendo das kurz- und mittelfristige politische Risiko in Kategorie 5/7. Das Geschäftsrisiko verbleibt in der schlechtesten Kategorie G/G. Für Credendo-Kunden bedeutet das, dass der Kreditversicherer weiterhin Deckungen für die Türkei anbietet.