Das stille Sterben der deutschen Unternehmen
Im Jahr 2024 erlebte die deutsche Wirtschaft eine alarmierende Welle von Unternehmensschließungen. Beachtlich ist, dass die wenigsten Unternehmen aufgrund einer Insolvenz schließen – neun von zehn Unternehmen beenden ihr Geschäft, ohne pleite zu sein.
Laut einer gemeinsamen Studie von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stellten im vergangenen Jahr 196.100 Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit ein – ein Anstieg von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es ist der höchste Wert seit 2011, als viele Betriebe infolge der Finanzkrise aufgeben mussten.
Auffällig ist dabei, dass es auch viele größere Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden betrifft. 2024 wurden gut 4050 solcher Betriebe geschlossen. Das sind fast doppelt so viele wie in einem durchschnittlichen Jahr. „Mit den Betrieben verschwindet auch wertvolles Know-how aus Deutschland“, warnt die Creditreform in einer Pressemitteilung.
Ursachen der Schließungswelle
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig:
- Hohe Energiekosten: Besonders energieintensive Branchen wie die Chemie- und Pharmaindustrie litten unter steigenden Produktionskosten. In diesen Sektoren wurden 1.050 Betriebsschließungen registriert, ein Anstieg um 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
- Fachkräftemangel: Technologieintensive Dienstleistungen, darunter IT und Umwelttechnik, verzeichneten einen überdurchschnittlichen Anstieg der Schließungen um 24 Prozent. Der Mangel an qualifiziertem Personal führte dazu, dass Unternehmen nicht genügend Aufträge annehmen konnten, um wirtschaftlich zu arbeiten.
- Demografischer Wandel: Viele kleine und mittelständische Unternehmen standen vor dem Problem der fehlenden Nachfolge. Mit einem durchschnittlichen Alter von 54 Jahren fanden viele Inhaber keinen geeigneten Nachfolger, was zur Schließung führte.
Schwierige Rahmenbedingungen für den Mittelstand
Unternehmer wie GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin kennen die Ursachen, die zu immer mehr Schließungen führen: „Viele Unternehmer aus dem Mittelstand berichten, dass sie keine Nachfolger finden. Und auch Personal zu finden, ist schwierig. Unternehmer müssen hier immer flexibler werden und Modelle wie die Vier-Tage-Woche, Teilzeit, Homeoffice und zusätzliche soziale Leistungen anbieten.“
Auch die politischen Rahmenbedingungen machen das Unternehmertum zunehmend unattraktiv. „Unternehmen zahlen zu viele Steuern und haben zu hohe bürokratische Hindernisse“, so Sarafin. So liegt die Steuerbelastung auf Gewinne in Deutschland laut Deutscher Industrie- und Handelskammer zurzeit bei rund 30 Prozent. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt hingegen nur bei 23,6 Prozent, in den EU-Staaten sind es sogar gerade einmal 21,1 Prozent.
Betroffene Branchen
Die Schließungswelle betrifft nahezu alle Wirtschaftsbereiche:
- Industrie: Das verbeitende Gewerbe war 2024 besonders betroffen. Hohe Energiekosten und internationaler Wettbewerbsdruck führten zu zahlreichen Schließungen. So lag der Anstieg der Schließungen mit 19 Prozent deutlich über dem der Gesamtwirtschaft. Besonders betroffen waren dabei die energieintensiven Industrien, die sogar einen Anstieg um 26 Prozent auf 1050 Schließungen verzeichneten.
- Wohnungswirtschaft: Die Zahl der Schließungen stieg hier im vergangenen Jahr um 20 Prozent. Rund 9.700 Unternehmen verließen den Markt, was die Kapazitäten im Wohnungsbau weiter schrumpfen ließ.
- Chemie- und Pharmaindustrie: Auch hier setzte sich der Negativtrend fort. Im Jahr 2024 verzeichnete die Branche 360 Marktaustritte, der höchste Stand seit mehr als 20 Jahren.
Ausblick
Die steigende Zahl von Unternehmensschließungen zeigt die strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft auf. Es bedarf gezielter Maßnahmen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, die Energiekosten zu senken und die Nachfolgeproblematik in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu adressieren.
GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin fordert auch ein gesellschaftliches Umdenken. „Auch wenn es nicht gefällt, wir brauchen ein neues Mindset: Wir müssen wieder mehr arbeiten und weniger Steuern zahlen. Wir brauchen deutlich weniger Regelungen – einfach mal wieder machen lassen! Und wir müssen Stolz auf jeden Unternehmer zeigen.“ Nur so kann ein weiterer Verlust von Know-how und wirtschaftlicher Substanz verhindert werden.