Der erneute Lockdown trifft den deutschen Textilhandel mitten im Weihnachtsgeschäft in einer empfindlichen Phase. Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet damit, dass die Zahl der Insolvenzen in dieser Branche daher noch ansteigen wird. Dabei kommen die deutschen Händler im europäischen Vergleich noch gut weg.

Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit, Hallhuber und Bonita. Für diese Modehäuser wurde die Krise bereits zur Zerreißprobe. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres hat es acht Großinsolvenzen gegeben.

Daran sind nicht die Covid-19-Maßnahmen alleine Schuld, viel eher treffen sie eine Branche, die eh schon schwer angeschlagen war. Der Onlinehandel macht den klassischen Textil-Einzelhändlern ebenso Konkurrenz wie Textildiscounter wie Primark. Die Krise legte die Schwächen einzelner Unternehmen schonungslos offen und sorgte für einen geschätzten Umsatzverlust von rund zwölf Milliarden Euro. Das sei etwa ein Fünftel des Jahresumsatzes, berichtet Euler Hermes.

Der Kreditversicherer betont, dass das dramatische Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette haben könnte. Viele Unternehmen seien Spitz auf Knopf finanziert und erreichen nur geringe Margen – sollte sich der Umsatz längerfristig auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, reiche das diesen Unternehmen zum Fortbestehen nicht aus.

Auch GFL-Experte Fabian Sarafin kennt die finanzielle Situation vieler Textilhändler. „Die stationären Händler, die schon vor der Pandemie zu kämpfen hatten, sind nun doppelt hart getroffen. Nicht nur, dass die Kunden den Läden fern bleiben und online konsumieren, viele schieben dadurch auch ein sehr großes Überlager vor sich her, das wiederum die Liquidität stark belastet.“

Große Einbußen in Frankreich und Italien

In seiner Studie zeigt Euler Hermes jedoch auch, dass die deutschen Händler im europäischen Vergleich noch gut dran sind. Schließlich waren die Lockdowns in Deutschland wesentlich kürzer und weniger strikt als in den meisten Nachbarländern. Während die deutsche Textilbranche 2020 mit voraussichtlich -12 Prozent Umsatzrückgang rechnen muss, sind es etwa in Italien -22 Prozent, in Frankreich -17 Prozent.

Der Versicherer rechnet damit, dass bis Ende 2021 rund 13.000 Unternehmen aus der europäischen Textilindustrie verschwinden werden. Dadurch sind 158.000 Jobs gefährdet. Das betrifft nicht nur den Einzelhandel, auch bei den Textilherstellern werde die Krise bis dahin durchschlagen.

Krise als Chance für mehr Nachhaltigkeit

Euler Hermes macht jedoch auch Hoffnung. Die Branche sei heute weitaus widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger als noch 2009. Viele europäische Hersteller erzielen ein dynamisches Wachstum in den Bereichen, in denen sie am wettbewerbsfähigsten sind. Und das ist nun einmal nicht die „Fast Fashion“.

Vielmehr könnte sich die Branche hin zu einer umweltfreundlicheren Textilindustrie wandeln, in der mehr Wert auf Qualität als Quantität gelegt wird. Euler Hermes nennt als Beispiel Italien, wo die Interessen von Verbrauchern, Einzelhändlern und Herstellern übereinstimmen würden, so dass eine Präferenz für teurere, aber qualitativ hochwertigere und lokal hergestellte Bekleidung beibehalten werden konnte.

Weniger Importe und dafür lokal hergestellte Kleidung würden der europäischen Textilindustrie spürbar mehr Schwung geben. 10 Prozent weniger Importe von Bekleidung in Frankreich und Deutschland brächten in Europa 8 Prozent mehr Umsatz. Dafür müsse allerdings ein Umdenken stattfinden – auch und vor allem bei den Kunden.