Die Experten von Credendo analysieren die aktuelle wirtschaftliche Lage Chinas:

Infolge der Handelsspannungen zwischen China und USA musste Peking mit der Einleitung einer weit gefassten, jedoch moderaten Expansionspolitik reagieren.

Der Abschwung des realen BIP besteht bereits seit dem Jahr 2011 und hat 2018 nochmals zugelegt. Er ist notwendig, um dem schuldenfinanzierten Wachstum ein Ende setzen zu können. Die Entwicklung ist bedingt durch den Entschuldungsprozess und die Verschärfung der Bankenregulierung. Die weitere Verschlechterung resultiert durch den Handelskrieg mit den USA und die weltweit gesunkene Nachfrage.

Um dem Abschwung entgegenzuwirken, hat Peking umfassende steuerliche Änderungen veranlasst. Diese beinhalten Senkungen der Einkommens-, Umsatz- und Körperschaftssteuer. Zudem werden mehrere große Infrastrukturprojekte unterhalten.

Die Durchsetzung der US-amerikanischen Importzölle auf die chinesischen Waren macht sich stark am Wachstum des realen BIP bemerkbar. Im letzten Jahr betrug dieser noch 6,6%, für 2019 wird mit einem Rückgang auf 6,2% gerechnet. Wenn die Weltwirtschaft weiterhin verhalten bleibt, könnte er 2020 auf unter 6% fallen. Zwar ist dies stets ein guter Wert, allerdings wird dadurch kaschiert, dass Industrieproduktion, Export und privater Verbrauch, bedingt durch die wirtschaftlichen Komplikationen, mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Durch den geringen Anteil der Netto-Exporte am BIP-Wachstum sind die Auswirkungen durch die aktuelle Regierungspolitik noch kontrollierbar.

Um dem Trend entgegenzuwirken, wurden seitens der Regierung die Mindestreserveanforderungen der Banken herabgesetzt und Kreditvergaben – primär an Staatsunternehmen – ausgeweitet. Auch wurde die Aktivität von Schattenbanken verstärkt.

Die Wertminderung ist seit März 2018 auf 14% angestiegen. Dies ist herbeigeführt durch die Abwertung der Landeswährung Renminbi, die im August mit 4% den größten Monatsverlust seit der Abwertung 2015 erfahren hat.

Da der Abwertungsdruck auf den Renminbi durch die Kapitalabflüsse aufgrund der aktuellen Konjunkturaussichten und des voraussichtlich weiterhin bestehenden Handelskrieges mit den USA nicht abnehmen wird, könnte die Zentralbank, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, mit Kapitalverkehrskontrollen reagieren und die Öffnung des chinesischen Kapitalverkehrs blockieren.

Um eine Erhöhung ausländischer Kapitalzuflüssen zu erzielen, hat Peking bereits mit verschiedenen Maßnahmen reagiert. Diese beinhalten beispielsweise eine Lockerung der Bestimmungen für ausländische Investitionen in den Finanz-, Banken- und Versicherungssektor. Hierdurch sollen sich die ausländischen Portfolio- und Direktinvestitionen erhöhen und für einen Ausgleich des entstehenden Leistungsbilanzdefizits sorgen.

Wegen der US-amerikanischen Zollbestimmungen haben viele chinesische Unternehmen ihre Produktionsstätten bereits in Nachbarländer wie Vietnam, Thailand oder Malaysia verlegt. Hierdurch ist es ihnen möglich, die Zölle zu umgehen.

Aufgrund der konjunkturellen Abschwächung, fehlender Finanzierungsmittel und steigender Risikoaversion des Privatsektors ist mit einer größeren Gefahr für Forderungsausfälle und Insolvenzen zu rechnen. Die Anzahl der Pleiten ist seit 2018 stark gestiegen; viele Unternehmen sind hoch verschuldet und akkumulieren große Verluste. Viele sogenannte „Zombie-Unternehmen“ werden durch staatliche Unterstützung künstlich vor der Insolvenz bewahrt. 

In Angesicht des sinkenden BIP-Wachstums wird der Schuldenabbau in den nächsten Jahren bei der chinesischen Regierung höchste Priorität haben, um die finanzielle Tragfähigkeit aufrecht zu erhalten. Die riesige Inlandsverschuldung stellt ein großes Problem dar. 

Durch die wachsende hohe Verschuldung von Nichtfinanzunternehmen (Q1 2019: 155,6% des BIP), privater Haushalte (54% des BIP in Q1) und der Staatsverschuldung (51% des BIP in Q1), wird der Rückgang der Unternehmensverschuldung neutralisiert und ein Anstieg der Gesamtverschuldung verursacht, die aktuell bei ca. 300% liegen dürfte. 

Im Jahr 2014 lag die Staatsverschuldung bei lediglich 40%. Schätzungen zufolge wird sie 2020 über 60% liegen und sich bis 2023 auf 70% erhöhen. Da die Staatsverschuldung primär durch die hohe Inlandsverschuldung resultiert, schützt dies China vor dem Währungsrisiko und einer veränderten ausländischen Investitionsrate.

Noch weist China gute makroökonomische Fundamentalfaktoren und große Finanzpolster auf. Die Sparquote ist sehr hoch, es besteht ein kleiner Leistungsbilanzüberschuss (wird sich allerdings langfristig voraussichtlich in ein Defizit wandeln) und das Land hat eine gute Stellung als Nettoauslandsgläubiger. Zudem sind die Währungsreserven und das Staatsvermögen beträchtlich, die Auslandsverschuldung gering (Einstufung des kurzfristigen politischen Risikos durch Credendo: Kategorie 1/7, Einstufung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos: Kategorie 2/7).

Nichtsdestotrotz erfordern langfristig verschiedene Faktoren wie wirtschaftliche Spannungen, Alterung der Bevölkerung und Klimawandel einen effizienten Einsatz finanzieller Mittel und hohe Investitionen.

Die großen und gewalttätigen Proteste, die sich derzeit in Hongkong abspielen, gelten als die schlimmsten seit dem Souveränitätsübergang an China im Jahre 1997 und bringen große Unruhen in die Bevölkerung. Dementsprechend gerät Peking zunehmend unter Druck, da die Demonstranten die steigende Einmischung in lokale Angelegenheiten stark kritisieren und die gesellschaftliche Stabilität stark gefährdet ist. Infolge dessen könnten die Proteste gegen China nach Taiwan übergehen und die dortige Wiederwahl der autonomistischen Präsidentin Tsai befördern. 

GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin: „China ist zu einem der bedeutendsten Länder für deutsche Exporte aufgestiegen. Eine Abkühlung der chinesischen Wirtschaft würde die deutschen Exporteure hart treffen. Aktuell ist, verglichen mit den letzten Jahren, bereits eine deutlich schlechtere Zahlungsmodalität ersichtlich. Auf Basis der wirtschaftlichen Entwicklung in Verbindung zu dem Bankensystem ist ein Anstieg der Ausfälle sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch für ungesicherte Anzahlungen, die Kunden bei Bestellungen leisten sollen.“

Quelle: https://www.credendo.com/de/country-risk-assessment/china/china-wirtschaft-leidet-unter-handelskrieg-abkuehlung-der-globalen?utm_source=Salesforce+Leads%2FContacts&utm_campaign=749592b347-EMAIL_CAMPAIGN_2018_09_14_12_48_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_ec9840e1eb-749592b347-71580049 

Datum: 12.11.19