De-Risking heißt das Safeword der deutschen Wirtschaft, wenn es um die Handelsbeziehungen mit China geht. Davon profitiert vor allem eine Nation: Indien. Narendra Modi, der sich erneut zum Sieger der Parlamentswahl erklärt hat, verspricht politische Stabilität und positioniert Indien als Gegengewicht zu China.

Der erhoffte Erdrutschsieg blieb aus. Der indische Premierminister Narendra Modi, 73, konnte sich bei der Wahl Anfang Juni nur eine knappe Parlamentsmehrheit sichern. Doch es wird wohl reichen: Modi steht vor einer dritten Amtszeit, was ihn nach Jawaharlal Nehru zum am längsten amtierenden Premierminister Indiens macht. Außenpolitisch stärkt Modi Indiens Position als Gegengewicht zu China und die Beziehungen zum Westen. Wirtschaftlich setzt er auf Infrastruktur, Digitalisierung und industrielle Unabhängigkeit.

Indiens internationale Diplomatie

Bei Unternehmern und Investoren kommt das gut an. „Unser Credea-Partner aus Indien hat erst kürzlich berichtet, wie viel Produktion und IT gerade in Indien angesiedelt werden“, so GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin. Diese erwarten von Modi vor allem eins: politische Stabilität und Kontinuität.

Wie die Credendo Group in einem aktuellen Länderbericht aufzeigt, betreibt Modi eine aktive Außenpolitik, um Indiens internationales Ansehen zu steigern. Er stärkt die Beziehungen zum Westen, spielt eine aktive Rolle im Indopazifik und sichert Indiens Position als Führungsnation des globalen Südens. Gleichzeitig wird der Handel diversifiziert, insbesondere mit sanktionierten Ländern wie Russland, um Indiens strategische Interessen zu wahren. Im Zuge der Rivalität mit China wird die regionale Präsenz und der Einflussbereich Indiens auf dem Subkontinent verstärkt.

Kritisch: Handel mit Autokratien

„Modi ist ein Nationalist, der Andersdenkende verachtet. Indien wandelt bedenklich nah an der Grenze zur Autokratie“, gibt Sarafin zu bedenken. „Aus meiner Sicht ist es aber unmöglich, wirtschaftliche Notwendigkeiten mit moralischen Ansprüchen zu verbinden. Wir leben in einer sich stark wandelnden Zeitepoche, neue Technologien entstehen, andere werden unbedeutender. Fakt ist aber, für ein starkes Deutschland und eine starke EU muss man mit solchen Länder Handel betreiben. Denn weltweit leben in autokratischen Ländern rund 5,7 Milliarden Menschen, in Demokratien 2,4 Milliarden.“

Allein in Indien ist die Bevölkerung mittlerweile auf 1,41 Milliarden angestiegen. Eine Herausforderung für die Wirtschaft: So besteht „ein großer Mangel an verfügbaren und qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, und die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist nach wie vor gering“, heißt es im Credendo-Bericht. Die offizielle Arbeitslosigkeit liege nach wie vor bei hohen 8-9 Prozent, doch der Großteil der Gesamtbeschäftigung im Land sei weiterhin informell. Die größte Sorge ergibt sich aus der Kategorie der Jugendlichen, von denen über 40 Prozent arbeitslos sein könnten. Und auch trotz eines Rückgangs der extremen Armut bleibt Ungleichheit weit verbreitet.

Wirtschaftliche Herausforderungen

Herausforderungen für die Wirtschaft könnten auch die Abhängigkeit von Energieimporten und der Preisdruck darstellen. Auch wird Indiens Anfälligkeit für den Klimawandel deutlicher, mit extremen Wetterereignissen, die die Landwirtschaft und das wirtschaftliche Potenzial beeinträchtigen. Maßnahmen zur Ernährungssicherheit werden zunehmen, um auf Ernterückgänge zu reagieren. Die öffentlichen Finanzen sind eine chronische Schwäche. Die Staatsverschuldung bleibt hoch, und Haushaltsdefizite belasten die finanzielle Stabilität. Haushaltskonsolidierung und Privatisierungen sind notwendig, um die finanzielle Lage zu stabilisieren.

Länderbewertung von Credendo

Die Credendo Group hat das Geschäftsumfeldrisiko vor dem Hintergrund günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen kürzlich in die bessere Kategorie C/G eingestuft. Beim politischen Risiko seien sowohl die kurzfristigen (2/7) als auch die mittelfristigen Aussichten (3/7) stabil, jeweils dank der guten Liquidität und der niedrigen Auslandsverschuldung.