Factoring ohne Andienungspflicht – dieser Wunsch wird auf Unternehmensseite immer wieder laut. Doch macht das überhaupt Sinn? Wolfgang Roell, Marketing- und Vertriebsleiter bei der EKF Finanz Frankfurt GmbH, erklärt im GFL-Interview was es damit auf sich hat.

Die Pandemie hat den Innovations- und Digitalisierungsdruck auf viele Unternehmen erhöht, doch das ist oft nur mit zusätzlicher Liquidität zu stemmen. Merken Sie in diesem Zusammenhang, dass die Bedeutung von Factoring zunimmt?

Ja, absolut. Aus den Gesprächen mit Interessenten in den vergangenen beiden Jahren kann ich das nur unterstreichen. Und wir sehen ja auch bei den Bemühungen in unserem eigenen Haus, wie zeit- und kostenintensiv das Thema „Digitalisierung“ ist.

In einer Umfrage des Finance-Magazins gab ein Großteil der Unternehmen an, dass die Kosten bei der Wahl ihres Absatzfinanzierungsinstruments die wichtigste Rolle spielen. Ist das ratsam?

Das kommt natürlich ein wenig auf den Einzelfall an. Wenn ein Unternehmen nur eine geringe Marge erwirtschaftet, dann spielt der Preis sicherlich die überragende Rolle. Im Normalfall sollte der Preis aus meiner Sicht zwar ein Punkt bei der Wahl des richtigen Finanzierungspartners sein – Stichwort Vergleichbarkeit -, sollte aber grundsätzlich eher eine untergeordnete Rolle spielen. Hier sind Faktoren wie Professionalität, Branchenexpertise und die Flexibilität des Factors deutlich wichtiger.

Auch eine einfache Implementierung ist den Unternehmern wichtig. Was genau spielt dabei eine Rolle und wie könnte man diesen Punkt noch optimieren?

Der Aufwand zu Beginn einer Zusammenarbeit ist durchaus hoch. Wir versuchen da unsere Neukunden an die Hand zu nehmen und machen diese ersten Schritte gemeinsam. Wenn es z. B. um Schnittstellen etc. geht, sollte man die Kunden nicht alleine lassen, sondern den Prozess unterstützen und falls gewünscht zum Beispiel die Kommunikation mit den jeweiligen Systemhäusern übernehmen. Aber natürlich wird auch hier die Digitalisierung weiter Einzug halten und Prozesse weiter verschlanken.

Viele Unternehmer wünschen sich Factoring ohne Andienungspflicht. Was genau heißt das denn? Und worin besteht der Vorteil für Unternehmer, wenn diese Pflicht wegfällt?

Wenn keine Andienungspflicht besteht, kann der Kunde auswählen, welche Forderungen er an den Factor verkauft. Dies ist aus meiner Sicht schwierig. Wenn ich einen Workflow zu Beginn einer Zusammenarbeit einrichte, dann auch den Zahlungsweg. D. h. man teilt dem Debitor die neue Bankverbindung mit, an die künftig zu zahlen ist. Wenn der Kunde aber z. B. entscheidet, die betragsmäßig kleinere Rechnung nicht dem Factor anzudienen – wohin soll der Debitor jetzt zahlen? Zahlt der Debitor dann auf das Konto des Kunden? Man hat ihm doch gerade eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Dies würde den Kunden nur verunsichern und Chaos im Zahlungsverkehr verursachen. Der Debitor schaut doch nicht bei jeder Rechnung, ob sich die Bankverbindung geändert hat. Zahlt der Debitor auf das Konto des Factors, benötigt dieser im Nachgang trotzdem die Rechnung, um die Zahlung im eigenen System gegenzubuchen und die Rechnungssumme an den Kunden weiterzuleiten. Hier macht ein Auswahlfactoring, bei dem u. U. nur die wichtigsten Debitoren mit den größten Forderungen eingebunden sind, deutlich mehr Sinn.

In welchen Fällen macht dieses Einzelfactoring Sinn?

Wenn ein Unternehmen in einigen wenigen Fällen (z. B. im Projektgeschäft) Forderungen mit hohen Einzelbeträgen besitzt, kann ein Einzelfactoring durchaus Sinn machen. In diesen Fällen ist die Liquiditätssituation meist nur durch diese hohen Einzelforderungen belastet. Somit kann ein Factoring dieser einzelnen höheren Forderungen die Liquiditätssituation entspannen.

Viele Factoring-Anbieter argumentieren, dass es die Abläufe erleichtert, wenn alle Rechnungen in den Verkaufsprozess gegeben werden. Sehen Sie das auch so?

Für den Factor selbst spielt das glaube ich gar nicht so sehr die große Rolle. Wenn einzelne Debitoren kürzere Forderungslaufzeiten haben, ist es oft betriebswirtschaftlich nicht sonderlich sinnvoll, diese Forderungen an den Factor zu verkaufen. Hinsichtlich des administrativen Aufwandes kann das aber schon einen Unterschied machen. Wenn der Kunde keinen zweiten Buchungskreis benötigt und alle administrativen Parts an den Factor übertragen werden, besteht ein einziger Workflow, der – sofern automatisiert – eine Menge Zeit beim Kunden einsparen kann.

Welche Innovationen sind Ihrer Meinung nach nötig, um Factoring für noch mehr Unternehmen attraktiv zu machen?

Ich weiß nicht, ob man da von Innovationen sprechen kann. Ich denke, was den Preis angeht, wurde dieser in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich reduziert. Da sehe ich wenig Spielraum für weitere Anreize. Aber grundsätzlich ist natürlich alles, was die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Factor vereinfacht und schlanker macht, sinnvoll und interessant, denn viele Interessenten scheuen zunächst den Aufwand, ein solches System zu installieren. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Politik die Regulierungen, die in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen haben, teilweise wieder abbauen würde – zumindest da, wo sie nachgewiesenermaßen überhaupt keinen Sinn machen. Denn diese bedeuten nicht nur für uns, sondern auch für die Kunden einen immer höheren Arbeitsaufwand. Zudem gilt es weiterhin die Werbetrommel zu rühren und Factoring als das zu propagieren, was es ist – als flexibles Finanzierungsinstrument.