975.000. So viele Ergebnisse erhält, wer bei Google die Schlagwörter „Vorsprung“ und „China“ googelt. Im E-Business, bei Fintechs, in Künstlicher Intelligenz, der Elektromobilität oder ganz allgemein beim Thema „Technologie“ – im Netz finden sich zuhauf Artikel darüber, wo Chinas Wirtschaft längst vor Europa die Nase vorne hat. Können europäische Unternehmen da langfristig mithalten?

Die Rolle Chinas hat sich in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt. Lange Zeit galten die USA als „Taktgeber“ was Innovationen angeht und China war lediglich das Land, in dem diese Innovationen umgesetzt wurden. Schließlich ließen hier westliche Firmen aufgrund der günstigen Produktionsbedingungen fertigen. Die asiatischen Staaten galten als Ort, an dem gute Ideen höchstens kopiert wurden.

Doch das ist längst vorüber. Jedes Jahr kommen mehr Patente aus dem Land der aufgehenden Sonne. 2018 sind beim Europäischen Patentamt (EPA) die Patentanmeldungen aus China gegenüber dem Vorjahr um 8,8 Prozent gestiegen – insgesamt verzeichnete das Amt demgegenüber nur einen Anstieg von 4,6 Prozent. Allerdings sind hier immer noch Europa und die USA für fast drei Viertel aller Patente verantwortlich.

Ganz anders sieht die Situation beim chinesischen Patentamt aus. Hier gehen jährlich Millionen Neuanmeldungen heimischer Unternehmen ein. Beim EPA sind es nicht einmal 200.000 jährlich. Auch was Einzelunternehmen angeht, holt China auf. Größter Patentanmelder weltweit ist zwar Siemens – der deutsche Konzern konnte das chinesische Technologieunternehmen Huawei aber gerade einmal durch acht zusätzliche Patente vom ersten Platz verdrängen.

Auch bei Start-Ups geht China mit einem Tempo vor, das in Europa undenkbar ist. So hat das Land weltweit die zweitmeisten mit über einer Milliarde US-Dollar bewerteten Start-Ups. Drei der fünf wertvollsten sind inzwischen chinesisch: Xiaomi, DiDi und Meituan.

Europa – und vor allem auch Deutschland – werden sich anstrengen müssen, um ihre Kernkompetenzen nicht zu verlieren. Gerade der Automobilstandort Deutschland muss sich bei der Elektromobilität-Offensive, die China fährt, behaupten. Auch im Maschinenbau geht das Reich der Mitte auf Augenhöhe, obwohl das Ingenieursland Deutschland mehr als 100 Jahre Vorsprung hat. Und bei digitalen Innovationen spielen chinesische Firmen wie Alibaba, Baidu oder Tencent längst ganz vorne mit – wie Technologien wie WeChat oder Alipay zeigen.

Um die deutsche Industrie zu stärken, soll etwa die geplante „Nationale Industriestrategie 2030“ von Wirtschaftsminister Peter Altmaier helfen. Der Staat solle dafür sorgen, dass deutsche und europäische Weltmarktführer entstehen und erhalten bleiben, in dem sie von der Politik etwa bei Fusionen und Übernahmen unterstützt werden. Deutschlands Industrie soll sich so gegen die Konkurrenz aus Russland, den USA und vor allem China behaupten.

Die Initiative ist umstritten. Viele Experten fürchten zu viel Staatseinfluss. Damit internationale Handelsunternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können, müssen sie sich von innen heraus stärken. Eine aktuelle Studie des IIHD Instituts der Hochschule Worms und der Unternehmensberatung BearingPoint hat drei zentrale Erfolgsfaktoren identifiziert, die Tencent, Alibaba & Co. zu ihrer heutigen Marktstärke verholfen haben und an denen sich europäische und deutsche Unternehmen orientieren sollten, um in der sich rasant verändernden Handelslandschaft erfolgreich zu sein: eine stringente und ganzheitliche Kundenzentrierung, ein zielgerichteter Technologieeinsatz und eine Ecosystem- bzw. Plattformstrategie.

So muss der Kunde im Zentrum aller Entwicklungen von Services und Dienstleistungen stehen: Die Kundenzentrierung muss zum elementaren Bestandteil der Unternehmensstrategie werden. Hinzu kommt der zielgerichtete Einsatz neuester Technologien sowie die anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung, die einen zentralen Investitionsschwerpunkt darstellen sollten. Und drittens werden um einen Nukleus – wie etwa die B2B-Plattform Alibaba – nach und nach weitere Plattformen hinzugenommen, die das Leistungsspektrum kontinuierlich ergänzen. Dabei gibt es eine gemeinsame Schnittstelle, wie etwa Alipay, über die alle Zahlungsabwicklungen laufen und die dadurch Konsumentendaten gewinnt.

Mehr zum Thema „China“ im GFL-Blog: