Der Factoring-Markt ist im Wandel: Die Banken vergeben wieder mehr Kredite, die Zinsen sind im Keller und mit den Finanz-Start-Ups, sogenannten Fin-Techs, strömen neue Anbieter auf den Markt. Was das für Factoring-Anbieter bedeutet, hat Stefan Wagner der GFL – Gesellschaft für Liquidität verraten. Er ist Managing Director bei ABN AMRO Commercial Finance, einem vor 27 Jahren gegründeten Factor in Köln.

 Die EZB hat kürzlich gemeldet, dass die Banken wieder mehr Kredite vergeben. Was bedeutet das für Sie als Factor?

Der Zugang zu Finanzierungsmitteln ist im Umfeld der aktuellen Geldpolitik, die ja auf eine verbesserte Kreditversorgung der Wirtschaft abzielt, für Unternehmen sicherlich insgesamt einfacher geworden. Unternehmen können aus einer Vielzahl von Möglichkeiten ihren Finanzierungsmix zusammenstellen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben jedoch gezeigt, und die meisten Unternehmen berücksichtigen dies auch weiter, dass eine auf verschiedene Finanzpartner und Produkte diversifizierte Finanzierung nachhaltig zur Unternehmensstabilität beiträgt. Insofern ist das Geschäftsmodell Factoring als alternative oder ergänzende Finanzierung voll intakt.

Für Unternehmen mit schlechter Bonität ist es allerdings immer noch schwer an einen Bankkredit zu kommen. Sind Sie da bereit, stärker ins Risiko zu gehen als die Banken?

Bei der Kundenprüfung stellen wir als Factor unsere Entscheidungen für eine Finanzierungslinie nicht allein auf die Bonität, sondern maßgeblich auch auf die Qualität des Forderungsportfolios ab. Diese Herangehensweise eröffnet uns natürlich erweiterte Möglichkeiten Im Vergleich zu einer klassischen Kreditfinanzierung. So ist ein Unternehmen in einer schwierigen Entwicklungsphase, beispielsweise in einer Turnaround-Situation, bei einem guten Forderungsportfolio für Factoring weiterhin geeignet. Eine positive Zukunftsperspektive sollte jedoch gegeben sein.

Bekommen Sie, ebenso wie die Banken, den Margendruck zu spüren?

Natürlich sind die Konditionen aufgrund der vorgenannten Entwicklungen gesunken. Dafür profitieren die Factoringgesellschaften aber auch selbst von niedrigeren Kosten für die Refinanzierung. Insofern gilt es, sich im Wettbewerb leistungsfähig zu positionieren. Wenn wir für Kunden einen echten Mehrwert schaffen, und dazu gibt es ausreichende Möglichkeiten, wird man auch auskömmliche Margen erzielen.

Denken Sie, dass dieser Druck auch Anbieter aus dem Markt verdrängen wird?

Ich vermag die aktuelle Marktentwicklung nicht so negativ zu sehen. Letztlich stärkt das niedrige Zinsniveau auch die finanzielle Situation und die Investitionsmöglichkeiten unserer Kunden und davon profitieren auch wir als Finanzdienstleister. Darüber hinaus sind gerade die größeren Factoringanbieter häufig Tochtergesellschaften großer Banken. Gerade die hohe Präsenz europäischer Bankengruppen im deutschen Factoringmarkt ist ein Beweis für die Attraktivität des Standortes Deutschland und der Qualität der deutschen Wirtschaft.

Der Factoring-Markt hat sich in letzter Zeit durch das Aufkommen sogenannter Fin-Techs gewandelt. Sie gelten als besonders unbürokratisch und schnell. Sind sie dadurch eine Konkurrenz für klassische Factoring-Anbieter?

Die Stärke von Fin-Techs besteht darin, dass sie sehr spezialisierte Technologien entwickeln. Solche Technologien können gerade mit bestehenden Finanzdienstleistungen wie Factoring gut kombinierbar sein und einen Zusatznutzen liefern. Sei es für das Kundenangebot oder die internen Prozesse eines Finanzdienstleisters. In diesem Kontext positionieren sich Fin-Techs häufig als Dienstleister für die Finanzindustrie bzw. bedienen die Schnittstellen zwischen Kunden und Finanzierern. Eher selten treten sie als klassische Konkurrenz mit eigenständigem Finanzierungsangebot auf. Sicherlich spielen die regulatorischen Erfordernisse des Kreditwesengesetzes und der Finanzdienstleistungsaufsicht dabei durchaus eine Rolle.

Wie wird sich der Markt durch die Fin-Techs verändern?

Letztlich werden die Entwicklungen, die derzeit in vielen Fin-Techs stattfinden, die Digitalisierung von Produkten und Prozessen rund um die Unternehmensfinanzierung beschleunigen und neue alternative Möglichkeiten eröffnen, so wie wir dies in den letzten Jahren bereits im B2C-Bereich gesehen haben. Diese Entwicklung wird aber nicht nur von den Fin-Techs, sondern auch von den bereits etablierten Anbietern getragen. Ich sehe hier keine klare Trennlinie. Gerade die Factoringbranche hat in den letzten Jahren eine hohe Innovationskraft gezeigt, sowohl bezogen auf das Produktangebot als auch bezogen auf moderne IT-Lösungen.

Wie reagieren Sie? Kooperieren Sie mit Fin-Techs?

Digitalisierung und moderne Technologien im Bankgeschäft nehmen in der gesamten ABN AMRO Strategie einen hohen Stellenwert ein, dies gilt gerade auch für uns als Factoring-Anbieter. Bereits heute nutzen wir im Leistungsprozess sowohl die Services von Kooperationspartnern als auch eigene Technologien. Gemeinsam mit unseren internationalen Schwestergesellschaften haben wir ein Innovationsteam gebildet, das sich ausschließlich mit der Weiterentwicklung von Kooperationen und modernen Technologien für unser Factoring-Angebot befasst. Neben der Beobachtung der Marktentwicklungen nehmen wir auch gezielt die Hinweise unserer Kunden auf, denn letztlich geht es darum, den Erwartungen unserer Kunden jetzt und in der Zukunft gerecht zu werden.

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