Deutsche Start-ups haben im ersten Halbjahr 2022 rund 20 Prozent weniger Geld eingesammelt als im Vorjahreszeitraum. Investoren verschärfen ihre Risikobetrachtung. Die Wachstumsfirmen werden sich daran anpassen müssen.

Im ersten Halbjahr haben deutsche Start-ups gut sechs Milliarden Euro Risikokapital eingesammelt, so eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Das ist zwar deutlich weniger als die 7,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2021 – dennoch sei es das zweitbeste erste Halbjahr überhaupt.

Investoren schauen allerdings mittlerweile genauer hin, wo sie ihr Geld investieren. Eine Beobachtung, die auch die GFL-Experten machen. „Bislang haben viele Investmentgesellschaften die zum Teil hohen Anfangsverluste der ersten Jahre kommentarlos akzeptiert und immer weiter frisches Geld bereitgestellt“, beschreibt GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin seinen Eindruck.

Wagniskapitalgeber kannten teilweise die Geschäftszahlen der Start-Ups nicht einmal. So hat laut Focus Online das mit 46 Milliarden US-Dollar bewertete und damit wertvollste europäische Start-up, Klarna, kleineren Investoren keinerlei Blick in die Geschäftsbücher gewährt.

Die meisten jungen Wachstumsfirmen sind auf Investoren wie Wagniskapitalfonds angewiesen, da sie zunächst keinen Gewinn machen. Für viele Investmentgesellschaften zählten daher nicht die Ergebnisse, sondern die Firmenbewertung – Maßgröße war das Umsatzwachstum. Jetzt läuten die geopolitischen Unsicherheiten sowie die steigenden Zinsen eine Kehrtwende ein. „In dieser Zeit dreht sich die Bereitschaft deutlich sichtbar“, so Sarafin, „die Risikobetrachtung rückt in den Vordergrund. Dazu gehört, dass neues Geld nur unter Auflagen gegeben wird und Start-ups ihre Pläne anpassen müssen.“

Für viele der jungen Wilden heißt das vor allem: Kosten reduzieren. So will Klarna zehn Prozent seiner weltweit 7.000 Beschäftigten entlassen. Der Berliner Lieferdienst Gorillas entlässt mit 300 Angestellten rund die Hälfte seiner Verwaltung.

„Mit dem geänderten Verhalten der Investoren müssen diese Start-ups unternehmerisch werden“, sagt Sarafin. „Sie müssen ihre Liquidität planen und ‚normale‘ Finanzquellen suchen – und das bei teils schlechten Ergebnissen.“