Im ersten Halbjahr 2025 gab es in Deutschland so viele Unternehmensinsolvenzen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Laut der Auskunftei Creditreform haben 11.900 Betriebe Insolvenz angemeldet – ein Anstieg von mehr als 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders betroffen: das Dienstleistungsgewerbe, der Handel und die Industrie.

Unternehmensinsolvenzen auf Zehn-Jahres-Hoch. Grafik: Creditreform

Rekord bei Firmeninsolvenzen, zehntausende verschwundene Betriebe und kaum sichtbarer Aufschwung: Die deutsche Unternehmenslandschaft verändert sich dramatisch. Was auf den ersten Blick nach Marktbereinigung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als strukturelle Krise – mit weitreichenden Folgen für Beschäftigung, Innovation und Standortattraktivität.

Fast 141.000 Arbeitsplätze stehen durch diese Entwicklungen auf dem Spiel. Der finanzielle Schaden allein in den ersten sechs Monaten belief sich nach Zahlen der Creditreform auf rund 33,4 Milliarden Euro.

Die Zahlen der Amtsgerichte für das erste Quartal 2025 bestätigen den Bericht der Creditreform: Das Statistische Bundesamt meldete in den ersten drei Monaten des Jahres 5.891 beantragte Unternehmensinsolvenzen und damit 13,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch für das Gesamtjahr 2025 rechnen Experten mit einer deutlichen Zunahme der Fälle.

Besonders betroffene Branchen: Dienstleistung, Handel und Industrie im Krisenmodus

Gastronomie: Kellner trägt TellerAm stärksten trifft die aktuelle Welle an Insolvenzen und Geschäftsschließungen den Dienstleistungssektor – insbesondere Gastronomie, Hotellerie und personenbezogene Dienstleistungen wie Friseure, Pflege- und Wellnessbetriebe. Auch der Einzel- und Großhandel verzeichnet stark steigende Insolvenzzahlen, bedingt durch sinkende Konsumnachfrage, hohe Kosten und den anhaltenden Wandel hin zum Onlinegeschäft.

Im verarbeitenden Gewerbe geraten vor allem energieintensive Industrien wie Chemie, Metall und Maschinenbau unter Druck. Hier führen hohe Energiepreise, globale Konkurrenz und Investitionszurückhaltung zu massiven Strukturproblemen. Selbst vormals stabile Bereiche wie die Immobilien- und Bauwirtschaft spüren die Belastung – durch gestiegene Zinsen, sinkende Nachfrage und Verzögerungen bei öffentlichen Projekten.

2024: Geschäftsschließungen auf Rekordniveau – ohne Insolvenz

Doch nicht nur die Zahl der Insolvenzen gibt Experten Grund zur Besorgnis. Bereits 2024 offenbarte sich ein beunruhigender Trend: Mehr als 196.000 Unternehmen haben im Laufe des Jahres aufgegeben – ein Anstieg von 16 Prozent gegenüber 2023. Das Bemerkenswerte: Der Großteil dieser Aufgaben erfolgte still und ohne Insolvenzverfahren. Besonders kleinere und mittlere Betriebe zogen sich zurück – oft ohne mediale Aufmerksamkeit, aber mit gravierenden Folgen für ihre Branchen und Regionen.

Auch größere Unternehmen blieben nicht verschont: Rund 4.050 Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden schlossen ihre Türen. Das bedeutet nicht nur Arbeitsplatzverlust, sondern auch einen spürbaren Knowhow-Abfluss (den kompletten Artikel dazu finden Sie hier im GFL-Blog).

Ursachen: Warum Unternehmen in die Knie gehen

Der wirtschaftliche Druck ist vielschichtig:

  • Hohe Energiepreise: Besonders energieintensive Branchen geraten zunehmend unter Druck.
  • Fachkräftemangel: Viele Betriebe finden keine geeigneten Mitarbeiter mehr – besonders im technischen und ökologischen Dienstleistungssektor.
  • Demografie & Nachfolgemangel: Altersbedingte Rückzüge ohne geeignete Nachfolger häufen sich.
  • Steuer- und Bürokratiebelastung: Im internationalen Vergleich kämpfen Unternehmen in Deutschland mit überdurchschnittlichen Abgaben und hohem Verwaltungsaufwand.

„Es bleibt die Hoffnung, dass die deutsche Politik den aktuellen Pfad fortsetzt und der Wirtschaft die nötigen Impulse gibt“, resümiert GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin. „Wirkungsvoll wird dies in Verbindung mit veränderten Arbeitsbedingungen wie längere Arbeitszeiten, weniger Teilzeit, weniger Frührente und Einwanderung von Menschen, die in den Arbeitsmarkt zeitnah integriert werden. Wir brauchen einen schnellen Wandel, eine Änderung des Mindsets, wir brauchen wieder sozialen Ausgleich mit Blick auf Leistungsbereitschaft.“

Blick nach vorn: Zwischen Unsicherheit und neuem Optimismus

„Die vergangenen Rezessionsjahre haben deutliche Spuren hinterlassen“, erklärt Marcus Sarafin, Geschäftsführer der GFL. „Wir sehen flächendeckend Ratingveränderungen, angespannte Liquidität und negative Bilanzentwicklungen. Das erschwert aktuell viele Anschlussfinanzierungen erheblich.“ Gleichzeitig stehen steuerlich geförderte Investitionen in den Startlöchern – doch ob und wie diese finanziert werden können, bleibt offen.

Trotz dieser Unsicherheiten erkennt Sarafin eine positive Wendung: „Der Markt gewöhnt sich zunehmend an die neue Realität. Der Mittelstand reagiert flexibel auch auf kurzfristige Veränderungen – und was jetzt zurückkehrt, ist Optimismus. Genau dieses Momentum braucht es, damit alle Beteiligten im Markt und entlang der Finanzierungskette – von Banken über Kredit- und Kautionsversicherer bis hin zu Leasing- und Factoringgesellschaften – wieder gemeinschaftlich Wachstum ermöglichen.“

Liquidität für Ihr Wachstum