Bislang verfolgte Lateinamerika bei geopolitischen Rivalitäten einen neutralen Ansatz. Doch wie lange wird die Region angesichts der sich verändernden Machtverhältnisse und der daraus folgenden Spannungen seine Neutralität aufrecht erhalten können?

Die Rivalität zwischen den USA und China bietet Lateinamerikas Wirtschaft große Chancen. Auf der anderen Seite stehen lateinamerikanische Länder vor der Herausforderung, sich zwischen unterschiedlichen Technologien und Standards entscheiden zu müssen. Zu welchem Dilemma das führt, beleuchtet die Credendo Group in einem aktuellen Bericht:

Neue Machtverhältnisse

Nach dem Ende der Sowjetunion waren die USA die dominierende Supermacht. Doch in den letzten Jahren ist China als aufstrebende Macht in einen Konflikt mit den USA geraten, was zu Rivalitäten und einer Hinterfragung des Status quo geführt hat. Internationale Organisationen wie die WTO und die UN, die unter dem Einfluss der USA gegründet wurden, sind momentan handlungsunfähig, während China neue Standards bei der Umstrukturierung von Staatsschulden setzt. Dieser Konflikt beeinflusst die gesamte Welt, da beide Supermächte versuchen, ihre Interessen durch Anreize und Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.

Dies führt zu einer zunehmenden Aufspaltung der Weltwirtschaft in geopolitische Blöcke, die nicht nur den wirtschaftlichen Kontext, sondern auch diplomatische, technologische und militärische Aspekte betreffen. Regionale Supermächte und nichtstaatliche Akteure nutzen die Gelegenheit, um ihre eigenen Agenden aggressiv voranzutreiben, was die geopolitische Volatilität erhöht, wie an Konflikten weltweit von der Ukraine bis zum Nahen Osten zu sehen ist.

Lateinamerikas neutrale Haltung

Lateinamerika bleibt relativ unberührt von geopolitischen Schwankungen, da es geografisch weit von Krisenherden entfernt ist und trotz historischer Grenzstreitigkeiten keine militärischen Konflikte erlebt hat. Die Region verfolgt eine neutrale und unabhängige Haltung, obwohl Chinas Einfluss in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, besonders in Ländern wie Venezuela und Nicaragua.

Während die USA in den Bereichen Wirtschaft, Militär und „soft power“ weiterhin dominieren, hat China seinen Einfluss durch wirtschaftliche und finanzielle Aktivitäten ausgebaut. Seit Chinas Beitritt zur WTO hat sich der Handel mit Lateinamerika stark erhöht, und China ist ein wichtiger Kreditgeber und Investor in der Region geworden. Trotzdem bleiben die USA der größte Investor und haben nach wie vor eine starke militärische Präsenz.

Chancen und Hürden durch Friendshoring

Die Rivalität zwischen den USA und China bietet Lateinamerika Chancen durch Investitionen, die das Wirtschaftswachstum fördern könnten. Die Nähe zu den USA und eine günstige Arbeitskraftbasis machen die Region für Friendshoring attraktiv. Kooperationen mit den USA zielen darauf ab, Chinas Dominanz in der globalen Lieferkette zu verringern. Lateinamerika ist auch reich an strategischen Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, die für den globalen grünen Wandel entscheidend sind. Allerdings gibt es Herausforderungen wie unzureichende Infrastruktur, unvorhersehbare politische Maßnahmen und niedrige Produktivität, die größere Investitionen behindern könnten. Es besteht auch die Sorge, dass neutrale Volkswirtschaften gezwungen sein könnten, sich in Zukunft für einen Block zu entscheiden, was Investitionen weiter hemmen könnte.

Technologisches Dilemma

Der technologische Fortschritt ist ein entscheidender Faktor in der geopolitischen Rivalität. Während die USA lange Zeit führend waren, hat China schnell aufgeholt und ist ein starker Konkurrent geworden. Beide Supermächte nutzen wirtschaftlichen Druck und Sanktionen, um ihren technologischen Vorsprung auszubauen.

Lateinamerikanische Länder stehen vor der Herausforderung, sich zwischen unterschiedlichen Technologien und Standards entscheiden zu müssen. Die USA üben Druck aus, um die Nutzung chinesischer Technologien wie Huawei zu verhindern, während China durch günstigere Alternativen punktet. Dies könnte die neutrale Haltung Lateinamerikas gefährden, da die Region möglicherweise gezwungen wird, sich für einen technologischen Block zu entscheiden.

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