Das sind die Kreditversicherungstrends 2023
Wie wirken sich die aktuellen Liquiditätsengpässe auf die Kreditversicherung aus? Werden Top-Up-Deckungen wichtiger? Ändern Kreditversicherer ihre Zeichnungspolitik? GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin verrät, auf was sich Kreditversicherungskunden in diesem Jahr einstellen müssen.
Die wirtschaftliche Ausgangslage ist auch in diesem Jahr von vielen Unsicherheiten geprägt. Zwar zeigt sich die deutsche Wirtschaft sicherlich weiterhin stabil, doch die Inflation führt zu immer mehr Liquiditätsengpässen, was sich an verspäteten Zahlungen sowie deutlich mehr Ratenzahlungen und Inkassoaufträgen zeigt. Diese Frühindikatoren zeigen, dass die Insolvenzen 2023 mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen werden.
Durch die Liquiditätsengpässe und die durch die Preisentwicklung höheren Forderungen steigen damit automatisch die Auswirkungen, wenn es zu einer Insolvenz im eigenen Kundenkreis kommt.
Was bedeutet das nun für die Kreditversicherung? GFL sieht hier für dieses Jahr vier Trends:
- Top-Up-Deckungen werden wichtiger
Vielen Firmen reicht es nicht mehr, einen Basis-Versicherungsschutz zu haben – sie wollen nun in voller Höhe gegenüber den Kunden abgesichert sein. In der Vergangenheit haben viele Unternehmer regelmäßig Forderungssalden über dem vom Kreditversicherer gezeichneten Limit akzeptiert und sind damit ein eigenes Risiko eingegangen.
Dieses Risiko wollen kreditversicherte Firmen in 2023 weitestgehend vermeiden. So sind die Anfragen nach Zusatzdeckungen deutlich gestiegen. Und auch die Bereitschaft, diese Top-Up-Deckungen zu höheren Preisen zu bezahlen, hat signifikant zugenommen. Ziel ist es, mit 100 Prozent Cover durch 2023 zu gehen, auch wenn es mehr Geld kosten sollte.
- Gebrannte Firmen scheuen das Feuer
„Wir haben immer gedacht, das brauchen wir nicht, aber jetzt haben wir gemerkt …“ Immer häufiger bekommen wir solche Sätze zu hören. Viele nicht versicherte Unternehmen machen gerade erste Erfahrungen mit verspäteten Zahlungen oder erhalten Infos über Probleme ihrer Kunden. Die vernünftige Reaktion darauf: zeitnah eine Absicherung realisieren. Denn in diesen unsicheren Zeiten sollte man in einen sicheren Hafen einlaufen.
Das hat gleich zwei Gründe: Erstens ist man vor Ausfällen geschützt, sobald der Vertrag aktiv und das Limit gezeichnet ist. Zweitens kann man nun der Datenbank des Kreditversicherers vertrauen, der eine ganze Reihe von Informationen über die eigenen Kunden hat, Zahlungsverspätungen kennt und darüber hinaus eine Vielzahl von weitergehenden, vertraulichen Zahlen besitzt, mit denen man das eigenen Risiko besser beurteilen kann.
- Der Wunsch, einzelne Kunden zu versichern, wächst
Sogenannte Single-Buyer- oder Single-Risk-Absicherungen werden immer mehr nachgefragt. Dabei ist der Auslöser nicht zwingend ein negatives Gefühl, das man zu diesen speziellen Kunden hat. Der Treiber liegt eher in der Art des Geschäftes: Zum Beispiel, wenn man einen relativ neuen Kunden hat, der hohe Umsätze anstrebt, die Zahlungserfahrungen aber noch gering sind. Oder wenn ein langjähriger und guter Kunde sein Zahlungsziel verlängert haben will. Es gibt auch die Fälle, in denen die Interessenten langfristige Verträge schließen wollen, sich aber nicht sicher sind, ob die Bonität in der gesamten Laufzeit so bleiben wird.
So verschieden die Ausgangspunkte sind, mit einer Einzeldeckung können alle diese Wünsche realisiert werden.
- Höhere Schadenquoten führen zu anderer Risikopolitik
Kredit- und Kautionsversicherer mussten 2022 für knapp 50 Prozent mehr Schäden aufkommen als im Jahr zuvor. Noch handeln alle Anbieter sehr verantwortungsvoll und sind absolut zuverlässig in Sachen Übernahme von Risiken. Was aber passiert, wenn die Schadenquoten durch die Insolvenzen (entweder die Anzahl oder die absolute Höhe, geschweige denn beides) so ansteigen, dass angepeilte Erträge der Kreditversicherungen in Frage gestellt werden?
Dann wird es sehr wahrscheinlich zu einer anderen Risikopolitik kommen. Alle Versicherer beobachten sehr genau die gesamtwirtschaftliche Lage, die Branchentrends und die einzelnen Firmen. Alle haben aus der damaligen Finanzkrise ein eigenes Bewertungsmodell entwickelt und können so sehr schnell Entwicklungen erkennen und reagieren. Die große Gefahr ist hier, wie schon vereinzelt in den letzten Jahren zu beobachten, dass dann ganze Einheiten wie Länder, Branchen oder Regionen „über einen Kamm geschert“ werden. Die eigentliche Stärke der individuellen Betrachtung fällt dann vielfach herunter.