Johnson & Johnson hat Insolvenz angemeldet. Dabei sind die Geschäftszahlen hervorragend. Was soll das? Wie der Focus berichtet, steckt dahinter ein juristischer Trick, um Entschädigungszahlungen zu entgehen.

Die Geschichte liest sich wie ein John-Grisham-Roman: Ein Babypuder von Johnson & Johnson steht unter dem Verdacht, Eierstockkrebs auszulösen. In einem Verfahren vor einem Gericht in St. Louis konnten Anwälte nachweisen, dass der Talk in dem Puder manchmal mit Asbest verseucht war. Der Konzern hatte davon angeblich seit Jahrzehnten gewusst. Das Gericht verurteilte den Pharmariesen daher zu einer Geldstrafe von 4,69 Milliarden Dollar.

Seit dem ersten Gerichtsurteil von 2015 wird Johnson & Johnson daher nun von einer Klagewelle überrollt. 38.000 Opfer haben den Hersteller bislang verklagt – ihre Zahl könnte noch drastisch steigen. Dem will der Pharmakonzern nun durch einen juristischen Trick entgehen: Im Bundesstaat North Carolina hat er Insolvenz angemeldet.

Möglich macht das ein Trick, der als „Texas Two-Step“ bezeichnet wird. Denn von einer Unternehmenspleite kann eigentlich keine Rede sein: Die Firma ist an der Börse 430 Milliarden Dollar wert, besitzt Cash-Reserven von 25 Milliarden und weist einen steigenden Umsatz auf – nicht zuletzt durch seinen Covid-19-Impfstoff.

Um Insolvenz anmelden zu können, war daher etwas Vorarbeit nötig. Wie der Focus berichtet, hat sich der Konzern im südlichen US-Bundesstaat dafür in viele kleine Unternehmen aufgespaltet. Danach wurden die meisten wieder als Johnson & Johnson zusammengefasst. Doch ein paar davon bilden nun eine neue Firma namens LTL Management, deren einziges Geschäftsfeld die Gerichtsstreits um den Babypuder sind. Da das natürlich defizitär ist, können die Anwälte für diese Firma Insolvenz anmelden. Und zwar in North Carolina – einem der wenigen Bundesstaaten, in denen dieser juristische Kniff legal ist.

Dennoch haben Anwälte der Opfer dagegen geklagt. Ein Gericht in Charlotte wird nun entscheiden, ob das Vorgehen rechtsmäßig ist. Wenn ja, steht zu befürchten, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen wurde, den sich auch andere Firmen zunutze machen werden.

In Deutschland wäre eine Nachahmung hingegen nicht denkbar, macht GFL-Geschäftsstellenleiter Fabian Sarafin deutlich: „Das amerikanische Insolvenzrecht ist mit unserem deutschen Recht nicht vergleichbar und das bedeutet, dass so eine Art von Trick hier nicht möglich wäre.“ Andererseits wäre auch eine Klagewelle in dieser Dimension hierzulande nicht denkbar: „Es ist bekannt das in Amerika Verbraucher hohe Schadenersatzansprüche geltende machen können, anders als hier in Deutschland. Das haben wir zum Beispiel im Dieselskandal bei VW oder anderen große deutsche Firmen gesehen.“