Nach einem dramatischen Einbruch im Frühjahr 2020 hat sich der globale Welthandel – getrieben von China und den USA – wieder erholt. Die internationale Schifffahrt hat das jedoch ins Chaos gestürzt: Weltweit gehen die Container aus, die Schiffe sind ausgebucht, Frachtraten steigen.

Die Satellitenbilder von LiveEO, die die WirtschaftsWoche exklusiv zeigt, sprechen Bände: In der Bucht vor dem Hafen von Los Angeles warten die Schiffe, weil der Hafen überlastet ist. An den Kaimauern stapeln sich die Container. Ein ähnliches Bild präsentiert sich in Shenzhen – dem viertgrößten Containerhafen der Welt.

Wie ernst die Lage ist, hat der Kreditversicherer Credendo untersucht: Er sieht in dem Chaos eine ernsthafte Belastung globaler Lieferketten. Nachgefragt werden vor allem medizinische Geräte und Elektronik aus Asien bzw. China, wo die industrielle Produktion schon früh wieder hochgefahren wurde. Der globale Handel erreichte dadurch ein Allzeithoch.

Das Problem: Da die Erwartungen in der Krise ganz anders aussahen, wurden Schiffe dem Markt entnommen. Daraufhin haben sich die Frachtraten auf den Strecken zwischen Asien und Europa seit Dezember mindestens verdreifacht, zudem fehlt es an Seeleuten. In China werden zudem die Leercontainer knapp, denn die Corona-Krise hat zu einer Verschiebung geführt: Die Nachfrage nach chinesischen Produkten ist rasant gestiegen, die Firmen aus dem Land der Mitte brauchen allerdings nur wenige Lieferungen aus den USA oder Europa. Die Schiffe von West nach Ost sind daher kaum ausgelastet, liefern im Gegenteil sogar oft nur leere Container an.

Zahlreiche Branchen betroffen

Die Folge: Rohstoffe und Produktionsvorstoffe werden knapp und teuer. Das trifft zahlreiche Branchen – vom Möbelbauer über den Hersteller von Elektrogeräten bis hin zum Einzelhändler. Besonders betroffen ist laut Credendo die Halbleiterindustrie. Hier trifft die enorme Nachfrage nach Computern und anderen elektronischen Geräten für Telearbeit auf gleich mehrere Probleme: Die Engpässe in der Lieferkette, aber auch einen Wintersturm in Texas, der eine der größten Chipfabriken getroffen hat sowie auf einen Brand in einer großen japanischen Chipfabrik im März. In Taiwan beeinflusst zudem eine Rekorddürre die Halbleiterproduktion.

Laut einer Befragung des Ifo-Instituts in München betrifft die Knappheit rund 45 Prozent aller deutschen Industrieunternehmen. So schlecht sei die Lage vor 30 Jahren das letzte Mal gewesen. Und der Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten zieht sich natürlich immer weiter durch die Lieferketten: Bei den direkt betroffenen Branchen führt das zu Verzögerungen, unter denen dann wiederum die Hersteller anderer Branchen leiden.

Laut eines Berichts der Deutschen Welle häuften sich auch in der Autoindustrie Berichte über gedrosselte Produktion und Mitarbeiter, die in Kurzarbeit geschickt werden. Produktionen stünden über Wochen hinweg still, weil Bauteile fehlen. Allein im ersten Halbjahr 2021 konnten aufgrund des Fehlens von nötigen Mikrochips anscheinende zwei bis vier Millionen Autos nicht gefertigt werden.