Nicht immer ist es für Unternehmen von außen zu erkennen, wie nah sich ihre Kunden an der Grenze zur Insolvenz befinden. Dabei bewegt das Thema der Insolvenzen sowie der daraus entstehenden möglichen Anfechtungen Unternehmer aufgrund der Corona-Pandemie momentan in einem hohen Maße. Nach Prognosen steht die große Insolvenzwelle erst noch aus, somit wird das Thema in der Zukunft immer größere Bedeutung erfahren.

Daher freuen wir uns, dass wir Ihnen heute exklusiv einen interessanten Artikel zu den Einschränkungen der insolvenzrechtlichen Anfechtung von Herrn Rechtsanwalt Patric Naumann zur Verfügung stellen können.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und natürlich stehen auch unsere Experten Ihnen bei allen Fragen wie gewohnt zur Seite.

„Die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die am wirtschaftlichen Abgrund operieren, ist für deren Geschäftspartner schwierig, wenn Zahlungen zuerst nicht pünktlich und im weiteren Verlauf vielleicht überhaupt nicht mehr erfolgen. Dann werden Ratenzahlungen oder Zahlungsaufschübe vereinbart, um noch (Teil-)Zahlungen zu erhalten. Wie nah sich ein Unternehmen an der Grenze zu einer Insolvenz (drohende Zahlungsunfähigkeit) oder vielleicht sogar hinter der Grenze der Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung) befindet, lässt sich von außen nicht immer erkennen. Was in normalen Zeiten galt, gilt nun in einer für die Wirtschaft schwierigen Phase umso mehr. In der Situation des Lockdowns und der wirtschaftlichen Abschwächung durch die Corona-Pandemie, stieg das Risiko der Insolvenzen und damit die Anfechtungsgefahr für Geschäftspartner und Finanzierer. Mit dem „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG)“ hat der Gesetzgeber zur Vermeidung einer Insolvenzwelle die Insolvenzantragspflicht zunächst für einen Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 komplett (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) ausgesetzt. Die Bundesregierung hat am 25.08.2020 beschlossen, die Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31.12.2020 zu verlängern, allerdings nur für den Insolvenzgrund der Überschuldung. Dies bedeutet, dass ab dem 01.10.2020 im Falle der Zahlungsunfähigkeit wieder eine Antragspflicht besteht.

Während die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bereits im Titel des Gesetzes auftaucht und sich diese Information bei den Unternehmern schnell verbreitet hatte, sind die weiteren flankierenden Maßnahmen während der Aussetzung weniger bekannt: die Exkulpation des Geschäftsführers für verbotene Zahlungen, keine Gläubigerbenachteiligung bei der Rückgewähr und Besicherung von Sanierungsdarlehen, keine Sittenwidrigkeit von Sanierungskrediten und die Einschränkung der Insolvenzanfechtung.

Nach der Gesetzesbegründung soll die Einschränkung der Insolvenzanfechtung den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuführen und die bestehende Geschäftsbeziehung aufrechterhalten. Für Geschäftspartner und Finanzierer soll die Gefahr begrenzt werden, dass sie in einem späteren Insolvenzverfahren des Unternehmens über die Anfechtung in Anspruch genommen werden. Die Einschränkung der Anfechtung ist im Gesetz deshalb etwas „versteckt“, weil sie nur ein Teil der Rechtsfolgen ist, die dann eintreten, wenn auch die Voraussetzungen der Aussetzung der Antragspflicht vorliegen. Hört sich kompliziert an, ist es auch. Aber grundsätzlich lässt sich merken, dass wenn für ein Unternehmen die Pflicht zur Insolvenzantragstellung nicht gilt, ist in der Folge auch die Anfechtung eingeschränkt.

Außerhalb des Bereichs der Sanierungsdarlehen schränkt der Gesetzgeber die Anfechtung noch weiter ein. Von der Anfechtung sind solche Sachverhalte von vorneherein ausgeschlossen, bei denen der Gläubiger etwas von dem Schuldner erhält, auf das er einen Anspruch hatte (kongruente Deckung, § 130 Abs. 1 InsO), also etwa die Zahlungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen wie Miete oder  Leasingraten, aber auch an Lieferanten und Dienstleister. Während der Anwendungsbereich bei der kongruenten Deckung uneingeschränkt ist, sind bei der inkongruenten Deckung nach § 131 InsO (es besteht kein Anspruch auf die Leistung), nur bestimmte Sachverhalte nicht anfechtbar. Dies sind: Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber (lit. a), Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners (lit. b), Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist (lit. c), die Verkürzung von Zahlungszielen (lit. d) und die Gewährung von Zahlungserleichterungen. Alle anderen Anfechtungsnormen wurden hingegen nicht eingeschränkt und bleiben voll anwendbar, also insbesondere die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) und die Schenkungsanfechtung (§ 134 InsO).

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber gerade für die Finanzierer und Geschäftspartner der Unternehmen, die im Zeitraum der Aussetzung der Antragspflicht vom 01.03. bis 30.09.2020 durch die Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen sind, eine weitgehend risikolose Unterstützung zulassen wollte. Dies betrifft auch die Insolvenzanfechtung. Unklar ist aktuell, ob mit der nun beschlossenen Verlängerung der Antragspflicht bei der Überschuldung, die Rechtsfolgen einschließlich der Einschränkung der Anfechtung auch für den Folgezeitraum bis zum 31.12.2020 fortgelten. In jedem Fall werden Rechtshandlungen in dem Zeitraum vom 01.03.2020 bis 30.09.2020 auch bei einer späteren Insolvenz geschützt.

Patric Naumann

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Partner

Pabst I Lorenz + Partner“