Massenproteste, eine hohe Arbeitslosigkeit und eine nur schwach wachsende Wirtschaft mit wenig Reformwillen – die politische und wirtschaftliche Lage in Algerien ist angespannt. Daran wird laut einer Analyse des Kreditversicherers Credendo auch der neue Präsident nichts ändern.

Im Februar 2019 sind in Algerien massive Proteste ausgebrochen. Auslöser war die erneute Kandidatur des Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Obwohl er mittlerweile zurückgetreten ist, halten die Demonstrationen an, denn das Land hat einige Missstände zu bewältigen: eine korrupte Führungselite, das Ausbleiben wirtschaftlichen Fortschritts, eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Verschlechterung der Wirtschaftslage durch den Absturz des Ölpreises im Jahr 2014 sowie aufgrund fehlender Reformen.

Im Dezember wurde nun Abdelmadjid Tebbounes zum neuen Präsidenten gewählt. Grundlegende Veränderungen erwartet Credendo durch diese Wahl jedoch nicht. So bestünden keine Anzeichen für einen strukturellen Bruch mit der Politik des alten Regimes. Die Unzufriedenheit und die Proteste werden daher voraussichtlich anhalten.

Wirtschaftlich verschlechtert sich die Lage unaufhaltsam: Seit dem Absturz des Ölpreises hat Algerien ein hohes Zwillingsdefizit aufgebaut. So lag das Haushaltsdefizit 2015 bei einem Spitzenwert von 15 Prozent des BIP. Bis 2018 ist es – auch aufgrund des besseren Ölpreises – wieder auf 4,8 Prozent gesunken, dürfte 2019 aber wieder einen Wert von 8,1 Prozent erreicht haben. Die Staatsverschuldung ist drastisch gestiegen: von 7,7 Prozent des BIP im Jahr 2013 auf 38,3 Prozent in 2018. Für 2019 erwartet Credendo einen Wert von 46,1 Prozent.

Der Leistungsbilanzüberschuss hat am meisten gelitten. 2013 betrug er noch 0,3 Prozent des BIP, 2016 sank er auf den Tiefstwert von minus 16,5 Prozent. Algerien hat dieses Minus vor allem aus eigenen Mitteln finanziert, mit seinen Währungsreserven und seinem Ölstabilisierungsfonds. Das führt dazu, dass die Reserven schnell aufgezehrt werden. Andererseits hat das Land kaum Auslandsschulden, da die Regierung es vermeidet, Kredite im Ausland aufzunehmen.

Aussicht auf eine Änderung der Wirtschaftspolitik gibt es nach Ansicht von Credendo keine, denn die Regierung ergreift kaum Reformmaßnahmen. Langfristig bleibt das Wachstum Algeriens somit hinter den anderen Staaten in der Region zurück. Seit 2008 wächst das Land um durchschnittlich 2,8 Prozent, 2017 und 2018 sogar nur um 1,3 Prozent. Der IWF erwartet für die nächsten Jahre ein Wachstum von 1,9 Prozent.

Das kurzfristige Risiko für grenzüberschreitende Handelsgeschäfte stuft Credendo daher in Kategorie 3 von 7 ein. Das mittel- und langfristige Risiko bleibt – da die Auslandsverschuldung sehr gering ist – in Kategorie 4. Die Gefahr von Zahlungsausfällen ist allerdings hoch: Das systemische Geschäftsrisiko stuft der Kreditversicherer in die schlechteste Kategorie C (auf einer Skala von A bis C).

Die komplette Studie gibt es hier zum Nachlesen.

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